Die Geschichte und Kontext eines Stücks Landschaft zu kennen ist für planende Disziplinen (dazu gehört auch der Naturschutz und die Forstwirtschaft) eine leider vielfach vernachlässigte Notwendigkeit. So wie ein Arzt nur dann eine angemessene Therapie vorschlagen kann, wenn er die Vorgeschichte der Krankheit kennt, so kann über die möglichen bzw. sinnvollen Veränderungen zum Beispiel eines Waldes nur dann seriös nachgedacht werden, wenn die historischen, ökonomischen und sozialen Ursachen für dessen Entstehung und aktuellen Zustand beschrieben und verstanden sind. Die vorliegende Arbeit unternimmt diese verstehende Beschreibung für die noch reliktisch vorhandenen Eichen-Hainbuchenwälder und Buchenwälder in der Umgebung von Göttingen. Da Vegetationskunde hier als eine besondere Kunst, die Geschichte(n) und aktuellen Hintergründe eines Objektes zu erzählen, verstanden wird, bildet die vegetationskundliche Darstellung dieser Wälder aber lediglich die Basis für die Erzählung einer facettenreichen Geschichte. Diese richtet ihr Augenmerk auf die historische Mittelwaldwirtschaft, den Kampf um deren Umwandlung in Buchenhochwald, sowie den dabei zugrundeliegenden Nachhaltigkeitsauffassungen verschiedenster Akteure. Zurückgegriffen wird dabei auf aktuelle, archivalische und historisch-zeitgenössische Literatur aus über 400 Jahren. Es ergibt sich ein eng verwobenes Netz aus der perfekten Einbindung der Mittelwaldwirtschaft in die historische bäuerliche Ökonomie, zahlreichen konkurrierenden Nachhaltigkeitsvorstellungen, deren Umsetzung im Kontext herrschaftlicher Machtansprüche für die Diffamierung anderer Wirtschaftsformen sorgte, aber auch aus sich stetig wandelnden Waldbaumoden, sowie der Entstehung und Nachwirkung von bis heute nie hinterfragten forstlichen Mythen und der Kurzsichtigkeit des modernen Naturschutzes. Am Ende steht nicht nur die die „Entzauberung“ des „schönen Eichen-Hainbuchenwaldes“, sondern auch die des aktuell vorherrschenden Kalkbuchenwaldes, den man auch dank dessen Reichtums an bunten Frühjahrsgeophyten nicht nur hübsch, sondern gerne auch „natürlich“ nennt. Die interdisziplinäre Betrachtung legt aber den Schluss nahe, dass der Artenreichtum des Kalkbuchenwalds in Teilen die Folge der historischen, ehemals weit verbreiteten Mittelwaldwirtschaft ist, die in der Krautschicht zwar noch lange „nachhält“, aber in Zukunft ebenfalls verschwinden wird.

Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft, Jg. 91 (2021), S.330

tuexenia, Jg. 41 (2021), S. 477-478

Publikationstyp: Hochschulschrift

Sparte: Universitätsverlag

Sprache: Deutsch

ISBN: 978-3-86395-492-5 (Print)

URN: urn:nbn:de:gbv:7-isbn-978-3-86395-492-5-4

Förderer: Gefördert im Niedersächsischen Vorab durch Niedersächsiches Ministerium für Wissenschaft und Kultur und: VolkswagenStiftung